ZEIT: Claudia stoppte Ben im Finale

Von | 16. November 2015

Von Hans Trachsel

Zwei unterschiedliche Temperamente saßen sich im Finale des 16. Turniers der Wochenzeitung DIE ZEIT gegenüber: Ben Berger (30), ungestüm, wortverliebt, blitzschnell aus einer scheinbar schwierigen Bank ein Wort hinzaubernd und Claudia Aumüller (51), die Ruhe und Übersicht ausstrahlt und als Meisterin der ersten Stunde ihre Erfahrung gekonnt einzubringen weiß.

Claudia hat’s nun zum dritten Mal geschafft, ihre Siege am „Wimbledon dess Scrabbles“ verteilen sich über einen Zeitraum von 13 Jahren. Erstmals gewann sie 2002, dann 2009 auf Mallorca und nun verwehrte sie mit dem Hattrick der gegenwärtigen Nummer eins gemäß Elo-Liste, in den erlauchten Kreis der ZEIT-Sieger(innen) vorzustoßen. Claudia ist die Einzige mit drei Siegen; zweimal haben Blanca Gröbli-Canonica aus der Schweiz und die Augsburgerin Ulla Trappe gewonnen. Insgesamt kommen die beiden Spitzenspieler Ben und Claudia auf je rund ein Dutzend Turniersiege.

Entschieden wurde das Turnier in zwei völlig unterschiedlichen Finalpartien. Am Anfang umlauerten sich die beiden, Vorsicht war Trumpf. Doch mit dem Bingo REUTETEN, gebräuchlich im süddeutschen Raum und in Österreich für »rodeten«, zog Claudia davon. Ben verzweifelte an mehrmals vokallosen Bänkchen und konnte mit wenig geläufigen Begriffen wie WEIFEN und MUTANT wenig ausrichten. Dann der Hoffnungsstrahl, der die Spannung wahrte: Claudia offerierte eine Anlegemöglichkeit und Ben bedankte sich mit ANTURNST. Trotzdem resultierte aus dem Hinspiel eine schwere Hypothek von 84 Punkten.

In der zweiten Partie ging es dann spektakulär zur Sache. Ben konnte drei Scrabble legen mit NEURIESE, GFRIESSE (österreichisch wenig liebevoll für Gesicht, angezweifelt von Claudia) und dem zurecht Bewunderung hervorrufenden EOSINIER (Verb zu Eosin, roter Farbstoff), doch Claudia blieb dran und konterte stets rechtzeitig. Ihre Bingos hiessen ZUHAUEND und KERNTEST. Dieses Spiel ging unentschieden aus, das Finale somit 809:725 für Claudia. Für Monika Weber, die am Galaabend stets für einen beschwingten Ausgang sorgt, war früh klar: „In Magdeburg musste eine Frau gewinnen, Mannheim hätte zugunnsten von Ben gesprochen“.

Newcomer Rolf Yadig

Doch nicht nur die Finalteilnehmer zeigten große Wortakrobatik. Ben legte 12 Siege vor und bekam es in Spiel 13 mit einem gewissen Rolf Yadig zu tun. Was weder Nadja Dobesch, noch Ingrid Nöth noch Claudia A. in der Vorrunde gelungen war, schaffte dieser Neuling mit 439:435 – dank einem späten Scrabble bezwang er den Favoriten. Bens knapper Kommentar: „Er hat einfach gut gespielt“. Das tat dann in Runde 18 auch Marie-Luce Eröd aus Wien: Sieg mit 498:446, ausgerechnet bei diesem Spiel war der Journalist vom NWR Augenzeuge. Ben gab danach ein souveränes Interview und verteilte Lorbeeren an seine Bezwingerin: „Sie ist die beste Österreicherin“. Mit Rang 6 und Siegen über Ulrike Aka, Nadja Dobesch, Regula Schilling und Doris Methner (um einen Punkt) zeigte der 61-jährige Apotheker Rolf Yadig, dass sein Sieg über Ben kein Zufallsprodukt war. Er hat durchaus Lust bekommen weiterzumachen, eigentlich war er nach Magdeburg ja nur gekommen, um seine Frau Regina Thies nicht alleine ziehen zu lassen. Den ungewöhnlichen Namen hat er von seiner 1. Frau, einer Tscherkessin, übernommen; er mochte nicht mehr Schulz heißen.

Knapp am Halbfinale vorbei schrammte die Schweizerin Regula Schilling. Sie erreichte Rang fünf; ein Sieg fehlte ihr, um wie 2011 die Chance aufs Finale zu bekommen. Hans Trachsel, der zweite Schweizer am Turnier in Magdeburg, bekam es im 20. und letzten Spiel mit seiner Landsfrau zu tun. Sie spielte groß auf und entschied das Schweizer Duell klar für sich. Hans kam mit 10,5:9,5 Siegen auf Rang 16 unter den 45 Teilnehmern.

Hochspannend war es in den Halbfinals zugegangen; da lag nach dem Hinspiel Vorjahressiegerin Nadja Dobesch gegen Ben vorne. Doch Ben konnte den Spiess drehen. Claudia verspielte gegen Ingrid Nöth ihren Vorsprung in Partie 2 fast vollständig; winzige fünf Pünktchen entschieden gegen die Fränkin Ingrid, die aber ihr frohgemutes Lachen schnell wieder fand.

45 Scrabblebegeisterte lieferten sich während einer Woche im grandiosen Hotel „Maritim“ in der Hauptstadt von Sachsen-Anhalt manch denkwürdige Partie. Das Hotel mit seinen über 500 Zimmern wusste sogar eine Riesenparty mit weit über 1000 Teilnehmern auszurichten, ohne dass es zu Konflikten führte. Bereits vor drei Jahren war es Austragungsort des ZEIT-Turniers gewesen; damals gewann Ulla.

Große Ehre

Ebenfalls unter den Teilnehmern: Ehrengard von Klitzing – welch ein Name! Und man fragt sich unwillkürlich: War da mal was? Die freundliche Dame bestätigt: Ja, ihr Bruder Klaus ist Nobelpreisträger für Physik. Seine bahnbrechende Forschung gipfelte im Quanten-Hall-Effekt und ebnete den Weg für die Nanoelektronik. Wer sich für Details interessiert, möge selbst weiter recherchieren. Ehrengard von Klitzing, das steht fest, hat sich als Neuling wacker geschlagen und uns am Abschlussabend Einblick gegeben, wie hart es für turnierunerfahrene Spielerinnen vor allem zu Beginn sein kann. Zugleich erhielten wir von ihr bestätigt: Die Neuen waren sehr angetan von der Art und Weise, wie sie allabendlich gecoacht wurden. Aufhorchen lässt, in ihrem Fall schon seit Jahren, ein weiterer Name einer Mitspielerin: Edelgard Lessing.

Wie es mit dem Turnier, das dem Wortspiel im deutschen Sprachraum zu mehr Bekanntheit und Verbreitung verholfen hat, ist im Moment nicht klar. Sebastian Herzog, Präsident des Vereins Scrabble Deutschland e.V. und Ausrichter vor Ort, wird anfangs 2016 informieren, ob es – wie erhofft – auch in Zukunft einen Scrabble-Sommer und ein Turnier der ZEIT geben wird.