von Hans Trachsel
Letztes Jahr ist sie noch im Halbfinal gescheitert, doch bei der 15. Auflage des Scrabble-Turniers der ZEIT hat alles geklappt: Nadja Dobesch heißt die verdiente Siegerin. Sie beendete die Vorrunde mit 15:5 als Beste, dominierte im Halbfinal Marie-Luce Eröd und behielt auch in den beiden Finalspielen (fast) immer kühlen Kopf. Das erste gewann sie knapp, das zweite deutlich, das Gesamtergebnis gegen die Finalgegnerin Ulrike Aka lautet 887:789 Punkten.
Vor sieben Jahren entdeckte Nadja das Turnierscrabble: Sie löste das Rätsel in der ZEIT und gewann die Teilnahme am Turnier. Ihr sagte die von Wettkampf geprägte Atmosphäre zu. Eine Freundin, die auch mitdurfte, war dagegen abgeschreckt. Nadja machte weiter, 2010 erreichte sie in Hamburg das Finale, wo sie gegen Claudia Aumüller unterlag. Zwei Jahre später in Berlin brachte sie mit ihrem Sieg an diesem großen Turnier alle Skeptiker zum Verstummen. Nun hat sie mit dem Sieg in Königswinter am Wimbledon des Scrabbles, wie das ZEIT-Turnier gerne genannt wird, den obersten Gipfel erklommen.
Im Finale lieferten sich die beiden einen beherzten Kampf, der auch von Schnitzern nicht frei blieb. Es gab ungültige Bingos (BAUDIERE von Ulrike, BORSTEI von Nadja) und dann das vielleicht vorentscheidende ARTIGERE von Ulrike, das sie leider mit UMRANNTE zu RUMRANNTE kombinierte. Da musste Dr. Werner Scholze-Stubenrecht vom Duden-Verlag sein Veto einlegen. In einer humoristischen Einlage gab Nadja der unterlegenen Kontrahentin am Abend moralische Unterstützung: „Der Bayer bewegt sich doch nicht, der RENNT RUM“. Es war zu spät.
Im ersten Finalspiel blieb ein Dreher von Nadja bis zuletzt auch von den Schiedrichtern unbemerkt: HUFPERS statt HUPFERS. Als sie an dieses HUFPERS ein schönes MAI anlegte, geriet das fachkundige Publikum, das von HUPFERS ausging, in Wallung, und der „Schwindel“ flog auf. Als Nadja im zweiten Spiel einmal zu viele Buchstaben zog, mussten die Schiedsrichter erneut eingreifen: »Wir nützen das Regelwerk voll aus«, kommentierte die Siegerin, die nie um einen guten Spruch verlegen ist.
Die Vorfälle im Endspiel bleiben letztlich Episode, zwei Topspielerinnen haben sich auf souveräne Art und Weise dafür qualifiziert, und Nadja siegte mit Können und Glück. Vier Scrabble leisteten ihren Beitrag: die Partizipformen MANGELND und GABELND im ersten Spiel sowie NEBELST und BEISSENS im zweiten. Ulrike legte ERWÄHNTE und UMRANNTE, doch es reichte nicht.
Nadja Dobesch ist Leiterin einer sozialen Einrichtung für wohnungslose und straffällige Frauen in München. Wie sie im Gespräch sagte, kommt die Sozialpädagogin mit den Frauen gut zurecht. Zu schaffen macht ihr aber eine Tendenz zur Kommerzialisierung, die auch das Sozialwesen erfasst. Mit Scrabble kam sie als Kind im Familienkreis in Berührung, ihr Faible für Dialekt und Sprache entdeckte sie ebenfalls schon früh. Bereits am übernächsten Wochenende ist sie an ihrem eigenen Turnier, dem 1. Wolpertinger Cup in München, wieder gefordert.
Ulrike Aka gab ein brillantes Comeback in Königswinter am Rhein. Es war eine hübsche Koinzidenz, dass die Finalistin des allerersten ZEIT-Turniers vor 15 Jahren nun wieder im Finale stand. Sie unterlag damals Bernt-Dieter Köhler, der auch immer noch mitmacht und den man tunlichst nicht unterschätzt. Ulrike hatte 2001 nochmals gegen BDK anzutreten. Bei der Neuauflage siegte sie und sicherte sich damit ihren Eintrag in die Hall of Fame. In einem launigen Beitrag am Galaabend ließ Anna Elisabeth Grabbe, auch sie eine ehemalige Gewinnerin, die bisherigen Turniere in gekonnten Limericks nochmals aufleben.
In den Halbfinals hatten sich die Dominatorinnen der Vorrunde diesmal durchgesetzt, was längst nicht immer der Fall ist. Nadja gewann klar gegen Marie-Luce, Ulrike Aka und die Schweizerin Regula Schilling lieferten sich dagegen zwei enge Duelle. Knapp nicht ins Halbinale reichte es für Claudia Benning; sie scheiterte im entscheidenden letzten Spiel an Ingrid Fernau. Erst drei Männer haben an den bisherigen ZEIT-Turnieren reüssiert: Bernt-Dieter Köhler als Mann der der ersten Stunde im Jahr 2000, 2003 Claudio Maniglio, der danach nicht weitermachte, und 2010 Jörg Diersen. Furore machte in Königswinter am Fuss des Drachenfelsen ein relativer Neuling: Johannes Klüppel überraschte mit Siegen über Finalistin Ulrike Aka, über Marie-Luce Eröd und Claudia Benning. Regula Schilling konnte er dann nichts anhaben; sie sicherte sich gegen ihn die Qualifikation fürs Halbfinale.