6. S(CH)RABBLE-TURNIER St. GALLEN
Claudia und Ben boten im Finale große Wortkunst

Von | 14. März 2016

Von Hans Trachsel

Nicht immer ergeben die Finalspiele die tollsten Ergebnisse bezüglich Wortkunst: Oft dominiert da auch Vorsicht oder Taktik. Doch diesmal wären Laien aus dem Staunen kaum herausgekommen, und auch das fachkundige Publikum der 40 Mitspielenden und ein paar Kiebitze wunderten sich, was Claudia Aumüller und Ben Berger so aus dem Hut zauberten. Am Schluss gewann Claudia um sehr knappe 7 Punkte; schon im letzten November entging dem Führenden der Elo-Liste der Sieg am ZEIT-Turnier wegen Claudia.

Ein paar Kostproben vom Finalbrett gefällig? Ben legte ANRUCKEN (es geht tatsächlich ohne Umlaut!), TRISMEN, weil der MISTER(n) nun mal nicht erlaubt ist, OVOID, FLOW (er wollte lieber das W als das G loswerden) und BEILÜD, um nur einige zu nennen. Mit JUDASSES überspannte er eigentlich den Bogen; erlaubt wäre im Plural nur JUDASSE(N). Doch es blieb stehen. „Ich war mir nicht sicher, doch was sollte ich anderes tun, als dies zu versuchen“, erklärte er später.

Claudia legte MAUKE (Hauterkrankung bei Tieren) und zweifelte später den Plural davon zu Unrecht an. Sie weiss auch, dass es neben KAHMEN auch das Adjektiv KAHMIG gibt, holte mit HYPHEN einen Anzweifler von Ben heraus und zeigte auf, dass es neben dem beliebten Schiffskoch, dem SMUTJE, auch ein Adjektiv SUTJE für sanft gibt. Wie kommt es, dass Meister Ben Hyphen nicht kennt? „Ich war fast sicher, dass es richtig ist, hätte dort aber gern meinen Bingo (GLOSSAREN) hingelegt“, so die Erklärung nach dem Spiel. Eifrig diskutiert wurde, dass er nicht schon vorher die Stelle mit GEHÖRLOS genutzt hat; die Erklärung dafür wurde mit etlicher Skepsis aufgenommen, doch Bens verschlungene Pfade führen ja in der Regel ans Ziel …

Claudia zeigt dem mit enormem, aber durchaus lustvollem Aufwand Trainierenden auf, dass Scrabble auf höchstem Niveau auch anders zu erreichen ist. Es gab ja mal ein Interview, in welchem die Berlinerin erklärte, dass sie nicht gleich mit dem Duden ins Bett gehe. Bens Kommentar: „Ich schon“. Er macht also kein Geheimnis aus seinem Trainingsfleiß. Claudia besiegte ihn diesmal auch schon in der Hauptrunde. Die zweite Niederlage fing Ben gegen den Schweizer Shootingstar Lorenz Knöpfli ein, der gegen beide Finalisten gewann und knapp am Finale vorbeischrammte. Claudia und Ben – an den beiden führt wohl zurzeit kein Weg vorbei zu einem Turniersieg, wenn sie denn beide am Start sind.

Der 53-jährige St. Galler Wohnbauunternehmer und frühere Drehbuchautor Lorenz Knöpfli ist die Entdeckung des Turniers. Erstaunlich ist, dass er aus beruflichen Gründen kein anderes großes Turnier bestreitet, aber hier schon früher zu guten Ergebnissen kam. Er sieht die seinerzeitige Karriere als Autor beim ZDF und die beruflichen Kontakte mit Deutschland als Teil des Erfolgsgeheimnisses. Der Vielseitige ist von Haus aus – Physiker.

Hinter Knöpfli auf dem feinen vierten Rang findet sich die Initiantin und Hauptorganisatorin Regula Schilling. Sie ist gewissermaßen die Seele des bei allen beliebten Turniers und hat so ganz nebenbei die Hälfte der bisher sechs Austragungen gewonnen. Gleich hinter ihr klassierte sich die Norddeutsche Doris Methner. Weitere bekannte Cracks wie Nadja Dobesch, Johann-Georg Dengel und Christof Pitzer finden sich unter den ersten Zehn, dazu etwas überraschend Usch Wake und Günter Krämer. Unmittelbar hinter den Top Ten: Vorjahressieger Friedrich Engelke.

Das Schweizer Turnier ließ wie schon bisher keine Wünsche offen und ist aus dem Kalender nicht mehr wegzudenken. Leider konnte Mitinitiantin Blanca Gröbli aus familiären Gründen nicht teilnehmen.

Gute Schweizer Bilanz

Auch die weiteren Teilnehmer(innen) aus der Schweiz schlugen sich achtbar. Hans Trachsel kam auf Platz 16; am Samstagabend sah es noch viel besser aus, doch gegen seinen Landsmann Knöpfli war er bereits nach den ersten zwei Zügen in Nöten und konnte nur minim aufholen. Dann verlor er auch noch gegen Usch Wake, die ihr Buchstabenglück kaum fassen konnte. „Schade, gleich zwei Matchbälle vergeben“, kommentierte er.
Ursi Zurflüh schaffte ein einmaliges Kuriosum: Sie gewann zwei Spiele mit dem genau gleichen Ergebnis von 482:466. Die beiden Opfer Regula Schilling – das war DIE Überraschung des Turniers, gemessen an der Elo-Klassierung – und die Bündnerin Nesa Wyss, die ein gutes Turnier spielte, liegen ganz weit vorne bei den Niederlagen mit der höchsten Punktzahl. Nur die Münchnerin Nadja Dobesch, die gegen Ben mit 479:546 verlor, schaffte als Verliererin mehr. Dies war zugleich die einzige Partie über 1000 Punkte.

Der Basler Raymond Kontic und der Freiburger (CH) Jungstar Stefan Aebischer blieben unter ihrem Wert geschlagen. Auch Uschi Feldberger, Erika Hadorn, Manuel Baumann (Sohn von Regula), Katharina Strösslin und Karin Joss waren in St. Gallen schon weiter vorn. Die stets gut gelaunte Mutter von Stefan, Margrith Aebischer, muss ihrem Sohn noch ein paar weitere Kniffe abgucken. Pech für Ursula Bürgin, die nach gutem Start erkrankte und ins Spital verbracht werden musste. Gute Besserung! Insgesamt: Eine starke dreizehnköpfige Schweizer Delegation, die sich mehr als achtbar schlug. Die kontinuierliche und mit großem, selbstlosem Aufwand erbrachte Aufbauarbeit von Regula und Blanca trägt Früchte. Es erfordert nun mal einige Anstrengungen, gegen den großen Nachbarn gut abzuschneiden.