Servus Peter!

Von | 8. April 2020

Ruhe war nie wirklich sein Ding. Nicht als Friedens- und Umweltaktivist, weil Schweigen bisweilen nicht Gold, sondern Gift ist. Auch nicht als ein durch und durch hilfsbereiter Mensch, dessen Dogma „Da muss man etwas tun!“ lautete. Und – wenn auch auf banalerer Ebene – nicht als Scrabbler. Peter Sternagel hat das ZEIT-Scrabbleturnier nie gewonnen, doch er hält einen Rekord für die Ewigkeit: Keinem anderen Spieler widerfuhren so viele Ermahnungen, ja mitunter flehentliche Bitten, die Lautstärke zu drosseln. Vergebens. Peter konnte schlichtweg nicht leise oder gar im Kopf addieren, weswegen er jeden einzelnen Buchstabenpunkt seiner Rechnungen für die Nachbartische (oder auch für den ganzen Saal) vernehmlich aufzählte. Tatsächlich schaute er bei jeder Ansprache schuldbewusst zum Schiedsrichter und gelobte stets Besserung – doch in der Regel hielt der Vorsatz genau bis zu seinem nächsten Zug.

Manchmal war es allerdings gar nicht die Zählerei, die Peter seine sonore Stimme erheben ließ. Auch wenn sein Gegenüber einen großartigen Zug aufs Spielfeld legte, teilte er dieses mit einem „Bravo!“ oder „Prima!“ nicht nur dem Kontrahenten, sondern – wohl mehr nolens als volens – gern der ganzen Mannschaft mit. Fairness floss halt durch Peters Adern, und nach seiner Interpretation gehörte es dazu, dem Gegner Respekt zu zollen, wenn er ihn sich verdient hatte.

Der Sinn für Gerechtigkeit zog sich wie ein roter Faden durch Peters Leben. Das ging von der politischen Ebene bis hinunter in den Freizeitsport. Als ich mal im Keller irgendeines Hotels bei irgendeinem Turnier mit ihm Tischtennis spielte, korrigierte er mich, nachdem ich ihm einen Punkt gegeben hatte: Mein Ball hätte die Platte noch berührt. Keine Geste, die den Lauf der Welt veränderte, aber eine, die zeigt, aus welchem Holz Peter geschnitzt war.

Es ist nicht übertrieben, Peter als Urgestein der Scrabble-Szene zu bezeichnen. Nicht nur, weil er und seine Frau Renate beim ersten ZEIT-Scrabbleturnier in Klagenfurt am Wört(h)ersee antraten und seitdem an ungezählten Vergleichen teilnahmen. Ohne vordergründig in Erscheinung getreten zu sein, hat Peter dank seiner ausgeprägten Sprachkompetenz auch einen erheblichen Einfluss auf die Formulierung der Zulässigkeitsregeln ausgeübt. Gerade in den Gründungsjahren von Scrabble Deutschland e. V. habe ich ihn sehr oft um Rat gebeten. Und ich erinnere noch sehr genau eine Situation in Horben im Jahr 2002, in der er mir bei einer Diskussion in großer Runde über die Rechtmäßigkeit von Formen wie „wirds“ oder „hats“ rettend zur Seite sprang – so fundiert und klar, dass die Debatte anschließend bald beendet war.

Hinter Peter steckte nicht nur ein Scrabbler mit einem umfangreichen Wortschatz, sondern auch ein Mensch mit einem außergewöhnlich abwechslungsreichen Lebensweg. Er war Schauspieler und Historiker, Blumen- und Menschenfreund, Mitarbeiter des Goethe-Instituts in Indonesien und Japan, Übersetzer und Germanist und – last not least – ein Mann mit Witz. Peter verfügte über diese wunderbare Art von Humor, die allen ein Lächeln auf die Lippen zaubert, ohne je jemandem weh zu tun. So ist sicherlich auch die Bemerkung über seine Frau Renate einzuordnen, die lautete: „Es hätte mich härter treffen können!“ Wenn man das Schalkhafte abzieht, bleibt das Elementare, was Peter für Renate empfand: Tiefe Liebe und tiefen Respekt.

Die Scrabble-Szene verliert mit Peter einen liebenswerten Menschen und ein Unikat. Möge er an dem Ort, an dem er jetzt weilt, in aller Ruhe für Unruhe sorgen können!

 

Für den Vorstand

Sebastian Herzog