19. ZEIT-Turnier 2018 – Bericht

Von | 22. Oktober 2018

Von Hans Trachsel

Theo überwindet das Trauma auf souveräne Art

Nach drei Finalniederlagen bei der Deutschen Meisterschaft (DM) und dem knappen Ausscheiden im Halbfinal des ZEIT-Turniers vor Jahresfrist begann man sich zu fragen, ob Theo Kardel bei diesen beiden Turnieren einfach nicht gewinnen kann. Die Antwort gab er dieses Jahr in Gelsenkirchen: Er kann – und wie. Mit 18 Siegen in 20 Spielen schaffte er die Qualifikation fürs Halbfinale vor allen andern. Im Halbfinale hatte er etwas gar viel Glück, als er „Migu“ im Hinspiel mit 577:278 besiegte, was unmöglich aufzuholen war. Das Finale gegen Regula Schilling verlief ausgeglichener, doch Theo gewann sicher mit dem Gesamtergebnis von 816:740 aus beiden Partien.
Der 63-jährige Lehrer für Physik und Mathe an der Waldorfschule Schloss Hamborn spielt seit Jahren immer ganz vorne mit und unterstrich dies mit seinem Sieg an der Champions League 2015 eindrücklich. Er stuft aber das ZEIT-Turnier mindestens so hoch ein: „Das ist wie Wimbledon, es hat Tradition, ist in jeder Hinsicht etwas Besonderes“, kommentierte er nach dem Triumph. Theo ist ein umgänglicher Mensch, der als Gewinner nicht abhebt und auch nach seiner dritten Niederlage in einem Finale der DM die Fassung nicht verlor. Sein Spiel ist effizient und elegant. Sein Durchschnittswert von 466,25 aus 20 Spielen ist mit Abstand der höchste. Auf über 450 kamen einzig noch die Schweizerinnen Regula Schilling und Blanca Gröbli-Canonica.
Auch das ein Novum: Nur drei Leute aus der Schweiz waren in den Ruhrpott gereist, und zwei von ihnen erreichten den Halbfinal. Dort behielt Regula mit dem Gesamtergebnis von 798:714 das bessere Ende für sich und kam zum zweiten Mal ins Finale des ZEIT-Turniers. Wie schon damals war der grossen Kämpferin das Buchstabenglück nicht hold, doch sie liebt das Spiel und die Turnieratmosphäre viel zu sehr, um lange zu hadern. Blanca trug die Niederlage im Halbfinal mit Grandezza: Sie ist ja bereits zweifache ZEIT-Siegerin in den Jahren 2005 und 2006. Beide haben mit diesem erneuten Spitzenergebnis gezeigt, dass sie unverändert zu den Besten gehören.
Der vierte Halbfinalist war Jürgen „Migu“ Miguletz, der nicht ganz so konstant ist über die Jahre hinweg, aber bei der ZEIT bereits zwei Halbfinal- und eine Finalteilnahme vorzuweisen hat. Er erreichte Platz vier vor seiner Frau Claudia Aumüller, die einen Sieg weniger schaffte. Die beiden waren die Einzigen, die Theo in der Hauptrunde besiegen konnten – Chapeau! Doris Methner drehte nach Fehlstart mächtig auf und erreichte Platz sechs. Der Sieger von 2016, Friedrich Engelke, wurde Siebter. Ebenfalls noch unter die ersten Zehn gelangten mit Nadja Dobesch eine weitere frühere Siegerin des Turniers, danach Theos Frau Lea Gettys und überraschend der dritte Teilnehmer aus der Schweiz, Hans Trachsel, der hofft, dass dies keine Eintagsfliege bleibt.
Das punkthöchste Spiel schafften Blanca gegen Rolf Yadig mit 1029. In ähnliche Höhen schraubten sich Theo und Lea mit 1016 und gerade noch über der magischen Grenze blieben Migu und die letztjährige Siegerin Ingrid Nöth mit 1001. Unentschieden sind eine Rarität bei Turnieren, doch Blanca spielte in der 20. Partie tatsächlich remis mit 363:363. Einzig noch Altmeisterin Anneliese Grabbe und Margret Klüppel schafften das Kunststück. Gespannt ist man auch immer auf die Neulinge, die an diesem Turnier wegen des Scrabble-Sommers besonders zahlreich sind. Ann-Kathrin Ehlers schaffte 9 Siege, einen weniger als ihre Mutter Uta Ehlers. Verblüffend die hohe Gesamtpunktzahl von Ann-Kathrin mit 7868. Sie lieferte dem Turniersieger Theo einen grossen Kampf mit 415:440.
Das Turnier im 15stöckigen MARITIM-Hotel unter der Leitung von Präsident Sebastian Herzog ging in guter Atmosphäre über die Bühne. Eine lebhafte Diskussion entspann sich um das 20. Jubiläumsturnier von 2019: Wieder in südliche Gefilde fliegen wie 2009 oder doch im Sprachgebiet bleiben? Beide Seiten brachten Argumente vor, ein Entscheid wird später fallen. Das letzte Wort hat die Chefredaktion der ZEIT – alle sind gespannt.