von Hans Trachsel
Solange noch eine kleine Chance winkt, gibt sie keine Partie verloren. Immer wieder weiß die Kämpferin Partien zu drehen, die aussichtslos scheinen. Doch vor diesem Turnier blieb sie ganz cool, stapelte ein bisschen tief: Dreimal nacheinander zu gewinnen, das sei nun wirklich kaum zu schaffen. Doch siehe da: Die Siegerin des 4. S(CH)RABBLE-Turniers von St. Gallen heißt zum dritten Mal nacheinander Regula Schilling, der Hattrick ist geschafft.
Das 2011 ins Leben gerufene Turnier stand von Anfang an unter einem guten Stern. Die 46 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren von der ersten Austragung an des Lobes voll über die gute Organisation. Geistige Höchstleistungen geben offenbar mächtig Appetit – die Küche in der St. Galler Sprachheilschule erwies sich als kulinarisches Highlight. Es ist und war Regula stets wichtig, allen Aspekten eines solchen Turniers volle Aufmerksamkeit zu widmen. Regula und Blanca Gröbli-Canonica sind nicht nur scrabblerische Koryphäen, die an fast jedem Turnier vorne mitmischen, sie zeigen sich auch organisatorisch voll auf der Höhe, zusammen mit einem freundlichen und motivierten Team.
Um Regulas Hattrick richtig einzuordnen und zu würdigen, gehört dieser Aspekt dazu: Sie ist ein Mensch, der sich für ihr geliebtes Spiel und für alles andere, was ihr wichtig und richtig erscheint im Leben mit ganzem Wesen einsetzt. Sie wird durch die Mehrfachbelastung als Hauptorganisatorin regelrecht beflügelt. Und so erreichte sie erneut das Finale, wo ihre Gegnerin wie schon 2012 Ulla Trappe hieß.
Ulla war erneut, wie schon vor zwei Jahren, als Führende aus der Qualifikation hervorgegangen. Sie schaffte als einzige 10 Siege in 12 Spielen. Die beiden Verlustpartien resultierten bezeichnenderweise gegen Blanca und Regula. Würde sie sich im Finalspiel revanchieren? Das Spiel blieb lange ausgeglichen. Mitentscheidend für die Niederlage der Augsburger Musikerin waren zwei erstaunliche Schnitzer: Im Publikum, das hauptsächlich aus den Mitspielenden bestand, wunderte man sich, dass Ulla den PEER, den britischen Oberhausabgeordneten nicht kannte und anzweifelte, denn der Wortschatz ist ja gerade ihre große Stärke. Umso mehr, als sie ihn gleich darauf zum SPEER umfunktionierte und für ein Bingo zu nutzen wusste (FORSTETE).
Die wenigsten erwarteten kurz danach, dass sie ihrem MENSCH noch ein T anhängen würde, was das bereits recht gut zählende Wort ungültig machte. Derweil spielte Regula makellos, nutzte die Blankos für Bingos und erarbeitete sich einen Vorsprung, der sich in der Endphase als ausreichend erwies: Sie gewann das im ganzen hochstehende Duell mit 422:371 Punkten. Dietmar Schönhoff, das Scrabble-Urgestein aus Düsseldorf, brachte es in einer spontanen Einlage nach dem Sieg der Psychologin auf den Punkt: »Ein Hattrick an einem der offiziellen Turniere, das gab’s noch nicht. Das ist ein historischer Moment.« Die lang anhaltende Standing Ovation war dann die verdiente Anerkennung durch alle, die ebenfalls ihr Bestes gegeben hatten.
Zu ihnen gehörte Jürgen Miguletz aus Berlin, der Sieger des ersten St. Galler Turniers von 2011. Er totalisierte wie Regula 9 Siege und kam ihr in der in zweiter Linie entscheidenden Punktzahl recht nahe. Doch auch nach ihrer Niederlage im zwölften Spiel gegen Ingrid Fernau behielt Regula mit 5090 Punkten die Oberhand vor »Migu« (5022 Punkte). Ingrid belegt Platz vier in der Tabelle mit achteinhalb zu dreieinhalb Siegpunkten; sie war am einzigen Unentschieden des Turniers beteiligt. Sie steigert sich von Turnier zu Turnier.
Für Furore sorgte der 23-jährige Stefan Aebischer aus dem Kanton Freiburg. Er darf als echte Nachwuchshoffnung bezeichnet werden. Er erreichte den sehr guten zwölften Rang und war an einer wahren Wunderpartie beteiligt. Gegen Andrea Sievers verlor er mit 554:500, das war die höchste Punktzahl, die nicht zum Sieg reichte. Seine Schlussbilanz: 7 Siege gegen 5 Niederlagen. Für Blanca sah es vor den beiden letzten Spielen noch sehr gut aus, doch die zwei Niederlagen warfen sie etwas zurück.
Überflüssig zu sagen, dass das Turnier auch 2015 stattfinden wird. Regula stellt sich der Elite der deutschsprachigen Wortkünstler erneut.