Ben siegt in St. Gallen nach fulminanter Aufholjagd

Von | 18. März 2019

Das Siegertrio des diesjährigen Turniers in St. Gallen: (v.l.) Nadja Dobesch, Ben Berger, Stefan Merx

Von Hans Trachsel

Der Riese wankte, aber er fiel nicht. Als Ben Berger am St. Galler S(CH)RABBLE in Runde 3 bereits die zweite Niederlage gegen eine Schweizerin erlitt, schien der Turniersieg für ihn in weiter Ferne. Doch von da weg gab er sich keine Blösse mehr und konnte am Schluss seinen ersten Sieg in St. Gallen feiern.

Ins Stolpern brachte ihn zunächst Regula Schilling mit 456:399. Das war noch nicht aussergewöhnlich, denn eine oder zwei Verlustpartien gegen Mitfavorit(inn)en muss auch ein Champion wie Ben einkalkulieren. Für die Sensation war gleich danach die Bündnerin Nesa Wyss besorgt, die den Ausnahmekönner mit 464:274 abfertigte – ungläubiges Staunen allenthalben. Die beiden liegen in der Elo-Liste 684 Punkte auseinander.

Danach liess Ben jedoch 11 Siege folgen, womit das Finale geschafft war. Nur noch die Münchnerin Nadja Dobesch blieb elfmal erfolgreich, und somit waren wie erwartet zwei bekannte Scrabblegrössen auf dem Podest. Und hier hatte Nadja durchaus Siegchancen. Ungewöhnlich war, dass sie kurz nach Beginn für einen Routine-Bingo mit Blanko zweimal ansetzen musste. Sie probierte es zunächst mit NITRINS, was Ben zu Recht anfocht – es gibt nur NITRID. Im nächsten Zug schaffte sie es mit ERSINNT; RINNEST wär auch gegangen. Ben kontert mit WULSTIGE, die Partie wogt hin und her.

Ben setzt sich etwas ab, allerdings mit dem eigentlich ungültigen UNGESEHN, das Nadja dann prompt zu punktereichem UNGESEHNER verlängerte. Dass Ben anstelle des Phoneys den einwandfreien SHOGUNEN nicht getraut hatte, zeigt, dass selbst er nicht immer ganz sattelfest ist. Kurz vor Schluss legte Nadja ein harmloses MILDEM, wo sie mit dem viel teureren VISUM das V elegant losgeworden wäre. Dann die Situation, die so recht nach dem Geschmack des Fachpublikums, erfreulicherweise ergänzt durch etliche Kiebitze aus Stadt und Umgebung, war: Ben stand da mit einer fürchterlichen Restbank und kaum mehr Anlegemöglichkeiten; Nadja hatte dank einfachen Buchstaben keine solchen Sorgen, ihr Rückstand schien aufholbar. Ben brütet, die Zeit wird knapp und legt dann mit unbewegter Miene OCKERM. Manche im Publikum hatten mit und ohne Hilfen längst erkannt, dass es ungültig ist, es geht nur OCKEREM. Würde Nadja anzweifeln? Sie liess es gelten. Es wär ihre Chance gewesen, doch in einem Finalspiel schleichen sich häufig nervositätsbedingte Unsicherheiten ein. Ben meinte nach dem Coup: „Solche Sachen muss man machen, das gehört zum Spiel“. Da hat er völlig recht; anzweifeln ist immer erlaubt. Die Kunst des richtigen Anzweifelns – niemand beherrscht sie perfekt! –

gehört zur Faszination von Turnierscrabble und hat schon manche Partie entschieden.

Platz drei erreichte Stefan Merx, der zurzeit eine bemerkenswerte Konstanz an den Tag legt. Er verlor in Runde 10 knapp gegen Ben (408:424) und erreichte als Einziger über 1000 Differenzpunkte. Die unverwüstliche Blanca Gröbli-Canonica wurde Vierte und damit beste Schweizerin. Sie glänzte mit Siegen über Nadja, den erneut stark aufspielenden Günter Krämer und Friedrich Engelke, verlor aber gegen Stefan und Claudia. Khan Nguyen hat sich innert kurzer Zeit in der Turnierszene etabliert – starker fünfter Platz, der kann was. Martin Bär ebenfalls in den Top Ten, sein Husarenstreich war ein Kantersieg über Nikolaus Ruzicska, der schlussendlich sehr guter Neunter wurde. Der Salzburger schaffte dies mit einem spektakulären Unentschieden gegen Blanca im letzten Spiel: 465:465.

Regula blieb verdient in den ersten Zehn; sie verlor die letzte Partie gegen Nadja, war aber stets in Tuchfühlung mit der Spitze. Lorenz Knöpfli, der Organisator des neu aufgegleisten Turniers, hielt der Doppelbelastung stand und vervollständigt die Top Ten. 38 Mitspielende lieferten sich an drei Tagen im Saal des Restaurants „Adler“ packende Duelle.

Das 2011 von Regula und Blanca ins Leben gerufene Turnier hatte bis jetzt in der hoch über der Stadt liegenden Sprachheilschule stattgefunden und stets eine Spitzenbesetzung aufgewiesen. Die beiden Pionierinnen haben nun die Organisation in neue Hände gelegt, und der Wechsel ist geglückt. Lorenz holte die Stadt St. Gallen mit ins Boot, und diese zeigte sich den Wortkünstlerinnen und –künstlern sehr gewogen. Die ersten drei gewannen neben der gesponserten Teilnahme im nächsten Jahr auch Barpreise. Der „Adler“ erwies sich mit dem geräumigen Saal, guter und speditiver Verpflegung und einem Fondueplausch am Samstagabend als idealer Spielort. Es möge hier erfolgreich weitergehen, die Basis ist gelegt.

Ergänzung durch die Ausrichter: Zum Gelingen des Turniers trugen – wie es in St. Gallen gute Tradition hat – nicht unwesentlich die Helfer bei, die selbst nicht zu den Turnierteilnehmern gehörten: „Computermann“ Martin, „Suppenkoch“ (und viel mehr) Heinz sowie Susy und Jasna vom St. Galler Scrabble-Treff, bei denen wir uns natürlich freuen würden, wenn sie 2020 als Spielerinnen dabei wären. Dankeschön!!!