Deutsche Scrabble- Meisterschaft weiterhin in Frauenhand: Uschi Müller gelingt die große Überraschung

Von | 21. Mai 2013

von Hans Trachsel

Die Deutsche Scrabble-Meisterschaft (DM) in Nienburg an der Weser endete mit einer großen Überraschung: Uschi Müller aus Kempen (NRW) hat sich zwar in der Scrabbleszene rasch einen Namen gemacht, dass sie aber gleich nach dem Meistertitel greifen würde, hatte man ihr denn doch nicht zugetraut. Damit bleibt die DM auch nach vier Austragungen fest in Frauenhand.
Einer hätte dies verhindern können: Martin Gahlow, der 53-jährige Tischlermeister, nach eigenem Bekunden der einzige Handwerker unter den 68 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Auch sein Vordringen ins Finale geschah unerwartet. Wohl ist er ein alter Hase und seit Anbeginn bei den Turnieren dabei, hat aber noch keinen Titel gewonnen.
Und wie die beiden das Finale erreichten! Schon eine Runde vor Schluss lagen sie uneinholbar vorn.

Favorit Ben Berger war zwar glänzend gestartet, doch als die Siegesserie einmal gerissen war, rückten ihm die Verfolger immer näher. Schließlich reichte es nicht mehr und der Sieger von Berlin musste sich mit Platz vier begnügen.

Das Endspiel der beiden „Neulinge“ war spannend und nicht frei von Patzern, doch diese hatte man letztes Jahr auch von der zweifachen Meisterin Ulla Trappe gesehen, die diesmal nicht antrat. Den vermeintlich ersten Bingo (alle 7 Buchstaben verwenden) legte Gahlow mit BEHINGEN, doch Uschi legte Veto ein. Und tatsächlich ist die Form zur allgemeinen Überraschung nicht erlaubt. HINGEBEN dagegen wäre mit denselben Buchstaben möglich gewesen. Uschis Bingos sind mit WANKENDE und EINMESSE dagegen nicht zu beanstanden. Sie gewinnt das erste Spiel mit einer Differenz von 59 Punkten; Martin robbte sich nach dem völlig missratenen Start noch etwas heran.

Im zweiten Finalspiel lag er zeitweise deutlich in Führung. Sein Bingo ziemlich am Anfang hieß STARTERS, doch Uschi kontert mit NISTENDE; bekanntlich dürfen die Wortkünstler ja die Verben und Adjektive in jede nur erdenkliche Form bringen und davon machen sie reichlich Gebrauch. Das Spiel wogt hin und her, ehe Uschi Müller mit dem dreifach zählenden VERHEILST die drohende Niederlage abwendete. Zum Schluss legte sie MNEMEN, das allerdings nur ohne Schluss-N gültig ist; weil es der Gegner nicht anzweifelte, durfte es stehen bleiben.

Die neue Meisterin ist 47-jährig, gelernte Bankkauffrau und arbeitet in einer Anwaltskanzlei. Die zweifache Mutter genießt mit ihrer erfrischend offenen Art in der Scrabblewelt viel Sympathie und brachte die Favoriten mit stupender Wortkenntnis und strategischem Geschick ins Staunen. „Ich kann es noch nicht glauben“, sagte sie nach dem Endspiel. Für den Sieg gab’s eine Prämie von 500 Euro und ein kunstvolles Scrabblebrett mit Holzrahmen. Neben Ulla Trappe, die 2010 und 2012 gewann und Maria Feige, die Meisterin von 2011, ist Uschi die dritte Frau, die den Titel führen darf.
Letztes Jahr war mit Theo Kardel ebenfalls ein Mann an der Gegnerin gescheitert. Bezeichnenderweise waren beide Finalisten vor der DM noch nicht qualifiziert für das Champions League-Turnier der 24 besten Wortkünstler vom 13./14. Juli in Hannover, dem Wohnort des umsichtigen Präsidenten des Vereins Scrabble Deutschland, Sebastian Herzog. Beide sind erfreut, nun die Teilnahme erkämpft zu haben, was auch Asalet Althaus und Stefan Merx verdientermaßen schafften. Zwei Plätze werden aufgrund der Elo-Platzierung nach der DM noch vergeben.

Die 2. DM in Nienburg verlief reibungslos, ein Verdienst vor allem von Claudia Benning, die selber am Brett mitkämpfte und ihr Organisationsteam gekonnt leitete. Dank des turbulenten Verlaufs mit ständigen Wechseln an der Spitze verlief die DM sehr spannend.

Die Teilnehmer aus den anderen deutschsprachigen Ländern kämpften unterschiedlich. Regula Schilling, nach ihrem Sieg in St. Gallen Mitfavoritin, kam auf Rang 14. Sie war mitverantwortlich für das Zurückbinden von Ben Berger und dem 20-jährigen Jungstar Timon Boerner, verlor aber zwischendurch entscheidende Partien. Gar nicht nach Wunsch lief es für Blanca Gröbli- Canonica, der respektierten Grande Dame der Szene mit zahlreichen Turniersiegen. Hans Trachsel klassierte sich für einmal vor ihr mit 10 Siegen und 10 Niederlagen, dank einer höheren Punktedifferenz. Die Zürcherin Uschi Bodmer schlug sich achtbar mit 6,5 Siegen. Gröbli und Schilling waren aufgrund ihrer früheren Spitzenplätze schon vorher für das Masters der Scrabbler qualifiziert. Lisbeth Schön aus Österreich errang dank einem Platz in den Top Ten die Qualifikation neu. Auf das erstmals zur Austragung gelangende Turnier warten die immer zahlreicheren Anhänger des kreativen Wortspiels mit grosser Spannung.