1. Nürnberger Trichter:
Eine Wiedergeburt zur Premiere

Von | 27. Februar 2019

Von Hans Trachsel

Dank der ausgezeichneten aktuellen Berichterstattung während des Turniers kann ich mich hier auf Besonderheiten beschränken. Und da hat der bestens gelungene Nürnberger Trichter einiges geboten.

RENAISSANCE – das Stichwort zu Claudias Sieg, wie sie es selbst ausdrückte. Die sieggewohnte Berlinerin hat eine Durststrecke von über zwei Jahren hinter sich; sogar ihre Qualifikation für die Liga der Champions, die im Sommer stattfindet, war in Gefahr. Kein Thema mehr nach diesem Triumph, zum Glück. Nur einer hat bisher mehr Turniere gewonnen als Claudia, nämlich Ben Berger, der in Nürnberg nicht mitspielte, aber in der Organisation mithalf.

Ein Kuriosum ist sicher, dass Claudias Sieg über Timon Boerner als grosse Überraschung einzustufen ist, wegen ihres Rückfalls bei den Elo-Punkten. Als sie gleich in Runde 1 gegen Inessa Hellwig-Fabian verlor, dachten viele, dass ihre Pechsträhne weitergehe. Doch sie verlor in der Folge nur noch gegen Sonja Mahler und Uschi Müller, realisierte also elf Siege, was ausser ihr nur noch Günter Krämer schaffte. Claudia ist nun bestimmt für weitere Grosstaten bereit.

Timon, der Führende in der Elo-Liste, produzierte dagegen einen Fehlstart, der nach dem makellosen Sieg in München völlig unerwartet kam. Er verlor gegen Dietlind Linsel-Böttcher 425:450 und in Runde drei gleich nochmals knapp gegen Günter Krämer. In Runde 8 zeigte ihm Claudia die Meisterin in einem hochklassigen Duell mit 474:441, und gleich darauf tat es ihr Manuel Müller gleich mit überlegenen 428:343. Doch danach legte der gereifte Timon einen grandiosen Schlussspurt hin, der ihm Platz drei und die höchste Punktedifferenz von 1143 einbrachten. Nur noch einer knackte die Tausenderschwelle, Alexander Dings mit 1079. Vor Timon klassierte sich noch Günter Krämer, der nach etlichen vorderen Plätzen nun erstmals bei einem Mehr-Tages-Turnier in die Medaillenränge vorstiess. Gratulation auch zur Quali für Limburg!

Nur eins über 1000

Es gab an diesem Turnier nur ein Tausenderspiel und zwar von Doris Methner gegen Martina Wedel mit 628:376. Doris liegt damit in Sachen höchste Siegpunkte an der Spitze. Für Martina war diese Begegnung untypisch, sie holte selbst einige beachtenswerte Siege. 462 Punkte und trotzdem verloren – das passierte Blanca gegen Timon. Es ist die höchste Punktzahl, die nicht zum Sieg reichte. Inessa, die so gut begann, musste gegen Alexander Dings die höchste Niederlage mit über 300 Punkten Differenz in Kauf nehmen. Alexander bewies mit Rang fünf, dass er weiter im Vormarsch ist. Ausserdem bezeichnete ihn die Turniersiegerin als ihren schwierigsten Gegner.

Grösster Pechvogel des Turniers war Helmut Müller, der bei seinen sechs knappsten Niederlagen nur gerade 67 Minuspunkte realisierte. Sowas ist auch in einem Spiel locker zu schaffen.

Wieso Trichter?

Der Name Nürnberger Trichter hat eine lange Geschichte. Seinen Ursprung hat er beim Autor Philipp Hardörffer (1607-1658), der allen Ernstes glaubte, jedem Lernwilligen die Dicht- und Reimkunst in nur sechs Stunden eingiessen zu können. Ein Vorläufer gewissermassen des Speed Scrabble, wo auch alles sehr schnell gehen muss. In einem abendlichen Turnier mit 10 Minuten Bedenkzeit behielt hier Timon die Nase vorn vor Alexander Dings. Die beiden trugen noch ein Finale aus mit gerade mal 3 Minuten pro Spieler.

Der Trichter wurde mit der Zeit fast nur noch scherzhaft gebraucht für Wissen, das man mechanisch in Köpfe, die es nötig haben, einfüllt. Die Nürnberger Karnevalsgesellschaft Goldener Trichter vergibt übrigens jährlich einen Preis. Ausgezeichnet wurden bisher so unterschiedliche Grössen wie Helmut Schmidt, der langjährige Bundeskanzler, und die Wildecker Herzbuben. Wohlan denn, wir kommen wieder zum 2. Turnier in einem Jahr!